Die neue, radikale Klassikerproduktion des Theaterkollektivs GermaniacGroup aus Köln unter der Leitung von Tom Martus ist eine tragikomische, bizarre FAUST-Bearbeitung, die so rigoros wohl selten konzipiert worden ist. In FAUST 1.0 wird der Themenkreis der klassischen Vorlage konkret auf die erotische Spannung zwischen Gretchen und Faust sowie das männlich-egozentrische Verhältnis zwischen klugscheißerndem Mephisto und nörgelndem Frust-Faust reduziert. Die Konzeption geht dabei soweit, dass das auf zwei Stunden gekürzte Stück lediglich von zwei spielwütigen, sich duellierenden Schauspielern gespielt wird, die sich in keiner Szene psychisch wie auch physisch schonen. Auf die Rolle des Überfräuleins Gretchen wird verzichtet - die Retterin aller männlichen Verzweiflung geht dabei konsequenterweise in die beiden Figuren Mephisto / Faust über. MEPHISTO (Andreas Schneiders) gibt den Klassischsten aller deutschen Bösewichter als bizarren, zynisch-abgefeimten Dämon mit Egoproblemen. Als heruntergekommener Travestit spielt er seinem Widerpart Faust das verbotene, schwüle Klischee einer gescheiterten Schönheit namens Gretchen vor, um ihn somit schneller in den Wahnsinn zu treiben. Dabei verliert er mehr und mehr den Halt unter seinen Füßen – und kommt als sich selbstüberschätzender Poser der psychischen Zerrüttung gefährlich nah. FAUST (Matthias van den Berg) gibt den Klassischsten aller deutschen Grübler als übergewichtigen, erfolglos gealterten Popliteraten, der sich schwungvoll in seine lyrischen Goethe-Tiraden wirft, um vor der Lächerlichkeit seines „Studierstuben“-1-Zimmer-Appartments mit Gratisschimmel an den Wänden zu entfliehen. Seine fixe Idee, seine geistige Vorstellung einer perfekten Überfrau sinnlich zu erfahren, versucht er verzweifelt, mit dem überforderten MEPHISTO zu verwirklichen – der fleischgewordenen Kreatur des eigenen Seelenmülls ! Die „große Weltenreise“ des klassischen Stoffes findet nurmehr noch in FAUSTs schäbiger Behausung statt – MEPHISTO führt FAUST von Zimmerecke zu Zimmerecke und ihn und auch sich damit dem Wahnsinn schrittweise näher: ein bizarrer Parforceritt zwischen „Rain Man“, "Apocalypse Now" und „Fight Club“. // SZENENFOTOS // DLF RADIOFEATURE //
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